Frühe Formen der Ausgrenzung
Seit Beginn des 15. Jahrhunderts wurden Sinti und Roma in fast allen europäischen Ländern urkundlich erwähnt. Anfangs stand die Minderheit unter dem Schutz der deutschen Könige und Landesfürsten. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts jedoch, als die spätmittelalterliche Gesellschaft an der Schwelle zur frühen Neuzeit eine Phase des politischen und sozialen Umbruchs erlebte, wurden Sinti und Roma zunehmend ausgegrenzt und verfolgt. Der Freiburger Reichstag erklärte „Zigeuner“ 1498 für „vogelfrei“, da man ihnen unterstellte, Spione der Türken zu sein. Jeder durfte sie fortan ungestraft töten.
Trotz einer rigiden Vertreibungspolitik durch die Landesherren der neu entstehenden Territorialstaaten fanden Sinti und Roma Möglichkeiten des Überlebens und ökonomische Nischen. Zwischen Minderheit und Mehrheitsgesellschaft gab es vielfältige Sozial- und Wirtschaftsbeziehungen. Einzelnen Angehörigen der Minderheit gelang im Militär oder in der landesherrlichen Policey ein Aufstieg bis in die Offiziersränge. Mit dem Aufkommen eines Nationalismus unter völkischen Vorzeichen waren solche Aufstiegsmöglichkeiten jedoch zunehmend verwehrt.
01.1 | Die Politik der Landesherren zielte seit dem 16. Jahrhundert darauf ab, „Zigeuner“ und andere marginalisierte, außerhalb der ständischen Gesellschaft stehende arme Bevölkerungsgruppen von ihren Territorien fernzuhalten. Als Herrenlose waren diese zugleich recht- und schutzlos. Zwischen 1500 und 1800 sind in zahllose gegen „Zigeuner“ und andere Unerwünschte gerichtete Betretungs- oder Aufenthaltsverbote dokumentiert. Die hier […]
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01.2 | Die Politik der Landesherren zielte seit dem 16. Jahrhundert darauf ab, „Zigeuner“ und andere marginalisierte, außerhalb der ständischen Gesellschaft stehende arme Bevölkerungsgruppen von ihren Territorien fernzuhalten. Als Herrenlose waren diese zugleich recht- und schutzlos. Zwischen 1500 und 1800 sind in zahllose gegen „Zigeuner“ und andere Unerwünschte gerichtete Betretungs- oder Aufenthaltsverbote dokumentiert. Die hier […]
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02 | In diesem Edikt aus dem Jahr 1726 informiert Friedrich II., Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg, seine Untertanen über ihre Pflichten gegenüber den patrouillierenden Milizen, die „Bettler, Vaganten, Zigeuner, und alles andere verdächtige Gesindel“ aus seinem Land vertreiben sollen. Die genannten „Streiffungen“ – organisierte Treibjagden auf Menschen, die die Obrigkeit als fremd und unerwünscht ansah – […]
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03 | Als unübersehbare Warnzeichen waren vor allem im 18. Jahrhundert an Grenzübergängen im ganzen Reich Verbotstafeln für „Zigeuner“ aufgestellt, die der Abschreckung dienten. Sie illustrierten in drastischer Weise, welche drakonischen Strafen „Zigeunern“ drohten, wenn sie widerrechtlich das jeweilige Territorium betraten. Auf dieser Tafel aus dem 18. Jahrhundert sind das Auspeitschen und Brandmarken sowie unterschiedliche […]
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04 | Begründer der modernen „Zigeunerforschung“ war der Göttinger Professor Moritz Gottlieb Grellmann, ein Repräsentant der Aufklärung. Sein 1783 in erster Auflage erschienenes Buch „Historischer Versuch über die Zigeuner“, das in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, gilt als Schlüsseldokument. Grellmann sieht in den „Zigeunern“ ein fremdes Volk auf einer vorzivilisatorischen Stufe. Er attestiert ihnen eine durch […]
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